Herbert Egoldt war eine bedeutende Gestalt der deutschen Musikszene und spielte insbesondere im Punkrock und Skinhead-Milieu der 1980er und 1990er Jahre eine wichtige Rolle. Seine Beziehung zu politisch engagierten Jugendbewegungen sowie seine geschäftlichen Unternehmungen geben interessante Einblicke in seine Persönlichkeit. In diesem Blogbeitrag werden wir uns mit Herbert Egoldts Philosophie und Schaffen befassen und seinen Einfluss sowie die Entwicklung seiner musikalischen Aktivitäten näher betrachten.
Die Anfänge: Vom Handwerker zum Labelbetreiber
Herbert Egoldt kam am 25. September 1947 in Brühl zur Welt und besuchte nach der Grundschule die örtliche Gymnasium Brühl bis zu seinem Abgang im Jahr 1963. Seine berufliche Laufbahn begann er als Maler und Lackierermeister und übernahm im Jahr 1972 den Familienbetrieb erfolgreich bis 1982. Während dieser Zeit hat er drei Lehrlinge ausgebildet und zusätzlich im Jahr 1977 den Plattenversandhandel Rock-O-Rama gegründet. Das Unternehmen spezialisierte sich auf den Import von Musik aus Großbritannien und den USA. In den Anfangsjahren widmete sich Herbert alten Rock’n’Roll-Klassikern und verlieh ihnen eine Frischzellenkur. Darüber hinaus brachte er die Scheiben von Punk und New-Wave-Bands nach Deutschland und vertrieb sie über seinen Rock-O-Rama Laden in Köln.
Herbert besaß ein außergewöhnliches Gespür für angesagte Strömungen innerhalb der alternativen und rebellischen Jugend-, Kultur-, und Musikszene und nutzte dies geschickt zur Entwicklung seines ursprünglichen Hobbys aus. Seine bemerkenswerte Gabe lag darin Subkulturen und ihre musikalischen Tendenzen erfolgreich im wirtschaftlichen Sinne zu fördern. Besonders hervorzuheben ist seine Fähigkeit linke Punkbands genauso wie später rechte Skinheadbands zu veröffentlichen, ohne dabei eine bestimmte politische Agenda zu verfolgen.
Politische Neutralität kontra Geschäftstüchtigkeit?
Obwohl Herbert oftmals denunziert wurde, rechtsgerichteten Bands ein Forum zu bieten, spielte seine politische Einstellung nur für linke Schreibtischtäter eine Rolle. So wurde ihm nachgesagt, er wäre heimlich Mitglied der NPD gewesen, allein um seiner angeblichen „gesellschaftlichen Isolation“ ein Fundament zu geben. In der Öffentlichkeit trat er selten auf und hielt seine politischen Ansichten privat. Alle Konzentration lag darauf, profitabel zu arbeiten, unabhängig davon, welche politischen Botschaften die von ihm veröffentlichten Bands transportierten. Sein Ansatz war pragmatisch, solange die Nische seines Marktes ökonomisch erfolgreich war. Linken Kritikern konnte aufgrund ihrer Engstirnigkeit nicht auffallen, dass die vielfältigen Äußerungen in den Texten der Bands, allein auf Herberts gelebte Toleranz zurückzuführen war und er deswegen keinerlei Probleme mit den Inhalten hatte. Nicht haben konnte.
Diese Haltung führte dazu, dass Herbert sowohl „linke“ als auch „rechte“ Musik unter seinem Label Rock-O-Rama veröffentlichte. In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre begann er, vermehrt Bands aus dem Skinheadspektrum wie Skrewdriver zu unterstützen, was ihn zur zentralen Figur in diesem Musikbereich machte. Gleichzeitig blieb er in der Punk- und Hardcore-Szene aktiv, indem er Bands wie Cotzbrocken und Terveet Kädet förderte. Sein wirtschaftliches Standing, wie man heute sagen würde, basierte darauf, subkulturelle Musikrichtungen zu vermarkten, unabhängig von deren politischem Inhalt.
Verhältnis zu Jugendkulturen
Egoldt war Mäzen und Geschäftsmann, der in den Jugendkulturen der 1980er-Jahre eine Chance sah. Zu dieser Zeit formierten sich in Europa verschiedene Subkulturen wie Punks, Skinheads und Psychobillys, die oft zusammen auftraten, aber sich in ihren politischen Ansichten nicht immer einig waren. Punks waren nicht zwangsläufig linksgerichtet und einige von ihnen entwickelten sich zu Skinheads, die sich wiederum als Teil der Arbeiterklasse verstanden und mit No-Future-Idealen sympathisierten.
Die Diversität innerhalb der Subkulturen war ein magischer Moment für Herbert Egoldt. Für ihn war es unwichtig, wie eine Band politisch verortet wurde – Hauptsache, sie war nur rebellisch genug und passte in das musikalische Profil von Rock-O-Rama. Diese Einstellung führte dazu, dass Herbert politisch unterschiedlich gelesene Bands auf seinem Label veröffentlichte und sich damit in verschiedenen Szenen einen Namen machte. Ihm kam gerade recht, wenn eine Band wie Cotzbrocken „linke“ Parolen gegen den Staat und die Polizei sang oder Skrewdriver der „Weißen Macht“ huldigte – solange die Platten für Unruhe sorgten, für Aufruhr – und sich verkauften, vermochte die Summe daraus in einem einzigen subversiven Faktor aufzugehen.
Kontroversen und Geschäftspraktiken
Herberts wirtschaftliche Aktivitäten stießen, wie nicht anders zu erwarten, in der linken Szene auf Kritik, vor allem wegen seiner Zusammenarbeit mit den Rebellen von „rechts“. Anfang der 1990er-Jahre geriet er nach einer Intervention der „Anti Defamations League“ bei Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), ins Visier von Medien und Behörden, die ihn beschuldigten, durch seine Plattenveröffentlichungen „antisemitische Ideologien“ zu verbreiten. 1993 veröffentlichte die Kölner Tageszeitung „Express“ einen Artikel, der Herbert als „Deutschlands gefährlichsten Plattenboss“ bezeichnete und seine Nähe zur Skinhead-Szene thematisierte. Kurz zuvor war sein Kölner Lager von der Polizei um ca. 30.000 Schallplatten erleichtert worden.
Die Durchsuchung seiner Geschäftsräume förderte jedoch keine strafrechtlich relevanten Beweise zutage, sodass die Ermittlungen gegen ihn eingestellt wurden. Trotz der negativen Berichterstattung und der Boykotte gegen sein Label blieb Herbert der wichtigste Aktivposten im Bereich des provokanten Liedguts und forcierte seine Tätigkeiten im Versandhandel.
Wie der Volksmund zu berichten weiß, höre die Freundschaft bei Geld auf: Um einen Keil zwischen Bands und Labelchef zu treiben, wurde dieser Hebel mit einigem Erfolg angelegt und so beschwerte sich manche Band publikumswirksam darüber, keine oder nur unzureichende Tantiemen für ihre Plattenverkäufe erhalten zu haben. Dabei waren Herberts Verträge so kurz gefasst wie leicht verständlich: Freiexemplare bei Veröffentlichung, ab 1000 verkaufen Einheiten je 1 DM pro verkauftem Exemplar. Unklar bleibt, ob der Grad an Selbstüberschätzung gegenüber den eigenen Verkäufen oder einfach nur die manipulative Dauerberieselung angeblicher „wirtschaftlicher Übervorteilung“ dazu führte, dass einige Bands sich von Rock-O-Rama trennten. Darunter auch die später sehr populäre deutsche Rockband Böhse Onkelz, die sich trotz drei (!) einzelnen Verträgen für insgesamt drei Produktionen, unter anderem nach Unstimmigkeiten über die politische Vielfalt des Rock-O-Rama Katalogs, in Richtung des dubiosen „Metal Enterprises“-Label verabschiedete.
Der Wandel des Labels Rock-O-Rama Records
Während Rock-O-Rama in den frühen Jahren vor allem für Rock’n’Roll, Punk und New Wave bekannt war, vollzog das Label Mitte der 1980er-Jahre einen Wandel hin zum Psychobilly, Street Rock’n’Roll, Oi! und Skinheadrock. Herbert erkannte, dass in dieser Musikrichtung ein ungehobenes Potenzial schlummerte, und begann zunehmend mit Bands aus der Skinheadszene zu arbeiten. Diese Entwicklung stieß bei vielen alten Punkfans auf Ablehnung, die das Label früher für seine Unabhängigkeit und seine Unterstützung von subversiven Bands geschätzt hatten. Dass genau das weiterhin stattfand, hatten jene jedoch in ihrer ideologischen Verblendung glatt übersehen. Herbert moderierte, kuratierte und produzierte fröhlich eine Platte nach der anderen für seine subkulturdurstige Kundschaft.
Diese Transformation machte Rock-O-Rama zu einem der wichtigsten Labels für Skinheadrock in Europa und darüber hinaus. Herbert machte klar, dass er vor wirtschaftlichem Erfolg nicht davonlaufen würde, die weltanschaulichen Präferenzen aber sekundärer Natur waren, getreu dem kölschen Motto „Levve un levve losse“. Diese, für manche Hitzköpfe schwer nachzuvollziehende Haltung, führte dazu, dass er sowohl in der linken wie rechten Szene als, moderat ausgedrückt, „schillernde Figur“ wahrgenommen wurde.
Fazit
Herbert war kein komplexer Charakter. Und seine Weltanschauung war auch nicht schwer zu fassen. Lediglich von einem linken Standpunkt aus betrachtet, blieb seine Philosophie unklar. Im kleingeistigen Kosmos linker Ordnungssysteme muss alles kategorisiert und politisch schubladisiert werden, um Freund und Feind klar voneinander zu trennen. Vielmehr hat er die verschiedenen Jugendkulturen und ihre jeweiligen weltanschaulichen Betrachtungen wohlwollend zur Kenntnis genommen, allein aus dem Grund, weil es diese Vielfalt nun mal gab. Der rebellische Geist faszinierte ihn. Er wusste ihn zu schätzen, und, Herbert hatte den Mumm, diesen Spirit zu wirtschaftlicher Blüte zu führen. Das war sein Elixier! Ja, sein Geheimnis, das eigentlich gar keines war. Man musste nur fähig sein, dies ohne politische Scheuklappen erkennen zu können.
Sein Label Rock-O-Rama war sowohl in der Punk- als auch in der Skinheadszene einflussreich, allein seine Zusammenarbeit mit Bands, die von linker Seite stigmatisiert und diskriminiert wurden, machte ihn zur Zielscheibe. Herbert Egoldt verkörperte die Ambivalenz einer Zeit, in der Subkulturen und Musikstile miteinander verschmolzen und aus denen zugleich scharfe ideologische Gegensätze hervortraten. Zeit seines Lebens war Herberts freigeistige Haltung linken Ideologen aller Couleur ein Dorn im Auge.
Der 58-jährige Herbert Egoldt verstarb am Freitag, dem 25. November 2005, heute vor 19 Jahren, bei einem Tankstellenstopp auf einer Autobahnraststätte in Richtung Belgien. Der erlittene Herzinfarkt führte zum sofortigen Tod.