Im März 1982 erschien der Sampler „Die Deutschen Kommen“, der als eine der frühesten und bekanntesten Veröffentlichungen des Punk-Labels Rock-O-Rama gilt. Der Sampler vereinte fünf Bands aus dem Raum Köln-Leverkusen und bot ihnen eine Plattform, ihre radikale und teils umstrittene Musik einem größeren Publikum zugänglich zu machen. In der deutschen Punk-Szene sorgte die Veröffentlichung für Aufsehen – nicht allein wegen der Musik, sondern aufgrund des provokanten Covers und der politischen Spannungen, die Rock-O-Rama damit auslöste.
Hintergrund und Entstehung des Samplers
Der Sampler entstand unter der Federführung von Herbert Egoldt, dem Gründer und Kopf des Labels Rock-O-Rama Records. Herbert reservierte für die Bands Fasaga, Der Fluch, Cotzbrocken, OHL und Stosstrupp im Herbst 1981 einen gemeinsamen Studiotermin im Tonstudio 65 in Köln. Die 18 Songs wurden innerhalb kurzer Zeit aufgenommen, wobei die Bands jeweils einen halben Tag Studiozeit zur Verfügung hatten. Hintergrundinfo: Die Gruppen erhielten ihre Freiexemplare nach Anzahl der eingespielten Stücke.
Musikalisch zeichnet sich der Sampler durch eine Mischung aus aggressivem Punk und frühen Oi-Einflüssen aus. Fasaga, die einzige Band ohne spätere Veröffentlichung auf Rock-O-Rama, wurde als „deutsche Ramones“ bekannt und präsentierte sich auf dem Sampler mit einer Mischung aus Humor und musikalischer Einfachheit. OHL lieferte ihre charakteristischen scharfen und provokativen Texte, die wie gewohnt für „Gespräche“ sorgten.
Die Querelen um das Cover
Ein spezieller Konflikt entbrannte um die Titelseite des Samplers, die einen Soldaten zeigt. Die linken Teile der Punk-Szene sahen in der Darstellung eine klare politische Positionierung. In einem Interview erklärte Herbert Egoldt, dass das Bild zuvor für das zweite OHL-Album vorgesehen war, die beteiligten Bands jedoch begeistert von der Idee waren, es für den Sampler zu verwenden. Herbert betonte, dass der Soldat nicht als Symbol für Nationalsozialismus gedacht war, sondern für die Aggressivität der Musik stand. Dennoch wurde das LP-Cover von Kritikern aus der linken Szene als politisch fragwürdig angesehen und trug zur anhaltenden Diskussion über die politische Ausrichtung von Rock-O-Rama bei.
Die Verwendung von Kriegssymbolen war zu dieser Zeit in der Punk-Szene keine Seltenheit und wurde oftmals als Ausdruck von Anti-Kriegsprotesten verstanden.
Die Bands und ihre Beiträge
Fasaga eröffnete den Sampler mit vier humorvollen Songs, die stark von der Neuen Deutschen Welle beeinflusst waren. Ihre Texte, die simple Alltagsbeobachtungen behandelten, gepaart mit ihrer direkten musikalischen Umsetzung, machten sie zu einer der unterhaltsameren Bands auf der Platte. Der Song „Pogo in der Straßenbahn“ wurde zu einem kleinen Hit in der lokalen Punk-Szene.
Der Fluch bot eine deutlich düstere und atmosphärische Interpretation von Punk. Ihre Songs waren einfach strukturiert, aber die Präsenz des Sängers und die seltsamen, teils okkulten Texte gaben ihnen einen einzigartigen Platz auf dem Sampler.
Cotzbrocken wurden von der linken Punk-Szene als „dümmste Punkband Deutschlands“ apostrophiert – ihre Texte waren absichtlich provokant und konfrontativ gegen das Establishment gerichtet. Insbesondere der Song „Kiffer“, der sich gegen Hippies und die Drogenkultur richtete, sorgte für Aufsehen.
Die bekannteste Band auf dem Sampler war jedoch OHL (Oberste Heeresleitung). Mit ihren aggressiven und explosiven Songs gehörten sie zu den herausragenden Künstlern dieser Zusammenstellung. Der Song „Die Macht des Feuers“ und „Soldaten leben länger“ gelten als Klassiker des deutschen Punks.
Stosstrupp beendete den Sampler mit drei ungeschliffenen und herausfordernden Liedern, die zwar nicht wesentlich originell, aber dennoch ein authentisches Abbild der aufkommenden Oi- und Punk-Szene waren.
Wirkung und spätere Indizierung
Trotz seiner anfänglichen Popularität geriet der Sampler in die Kritik linker Kreise. Das Spiel von Rock-O-Rama mit der politisch inkorrekten Provokation führte dazu, dass „Die Deutschen Kommen“ im Jahr 1995, 13 Jahre nach seinem Erscheinen, indiziert wurde. Es wurde argumentiert, dass einige der Texte zu Gewalt und Verbrechen aufrufen würden, was zur Aufnahme auf die Liste jugendgefährdender Medien führte. Interessanterweise wurde der Sampler 2020 erneut von der BzKJ (Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz) geprüft und lediglich der Titel „Kiffer“ als indizierungsrelevant eingestuft.
Trotz dieser Kontroversen bleibt der Sampler ein wichtiges Dokument der frühen deutschen Punkgeschichte. Die drastische Attitüde und die rotzige Produktion spiegeln die DIY-Ethik der damaligen Zeit wider. Zudem bietet er einen Einblick in die Anfänge von Bands, die später teilweise zu festen Größen in der deutschen Punk-Szene wurden.
Der Einfluss des Samplers auf die deutsche Punk-Szene
„Die Deutschen Kommen“ war mehr als eine einfache Zusammenstellung von Punkbands. Es war ein Zeichen des Aufbruchs für die deutsche Punkszene, die zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen steckte. Die Bands auf dem Sampler repräsentierten unterschiedliche Strömungen des Punk – von humorvollem Fun-Punk bis hin zu düsterem Goth Punk und aggressivem Oi.
Der Sampler half dabei, deutsche Bands in den Vordergrund zu rücken, die zuvor im Schatten ihrer britischen und amerikanischen Vorbilder standen. Viele der Bands auf „Die Deutschen Kommen“ wurden durch die Veröffentlichung einem breiteren Publikum bekannt und konnten später eigene Platten veröffentlichen.
Fazit
Rock-O-Rama Records profitierte von dem Erfolg der Compilation. Es war ein Wendepunkt für das Label, das sich durch diese Veröffentlichung als führendes Punk-Label in Deutschland etablierte, bevor es Mitte der 1980er Jahre zunehmend für seine Nähe zur Skinheadszene von linker Seite kritisiert wurde.
„Die Deutschen Kommen“ bleibt ein wichtiges Stück deutscher Punkgeschichte. Trotz der Auseinandersetzungen um das Cover und die spätere Indizierung steht der Sampler als Symbol für die rohe Energie und die ungeschliffene, rebellische Haltung der frühen 1980er Jahre. Für viele Fans und Sammler ist die Platte heute noch ein begehrtes Sammlerstück, das die Anfangszeit von Punk in Deutschland dokumentiert.